Ich werde ganz häufig zum Thema Meerschweinchenhaltung gefragt was denn nun richtig sei und gut und ausreichend und so weiter. Da dies ein so weites Feld von Ansätzen bietet, die nur schwer in einem einzigen Bericht unterzubringen sind (ich möchte ja auch gern, dass ihr alle brav bis zu Ende lest, sonst ist meine liebe Mühe, nämlich nicht für´s Meeri, sondern für die Katz`), fange ich mit einem Teilthema an:
Innenhaltungsunterbringung
Meerschweinchen können problemlos ganzjährig im Haus gehalten werden. Aber wo genau wohnen Meerschweinchen komfortabel? Den Begriff „artgerecht“ verwende ich mit Absicht nicht, wobei dies nicht
bedeuten soll, dass Innhaltung automatisch schlecht ist!
Folgt man den Empfehlungen des Fachhandels, dann sind für zwei Meerschweinchen (weniger dürfen es nicht sein!) ein Gitterkäfig von 120 x 60 cm ausreichend. Wenn man einen guten Verkäufer
erwischt, rät dieser noch zu gelegentlichem Freilauf. Ein völlig ahnungsloser Verkäufer meint vielleicht sogar, dass 1 m lang genug ist und empfiehlt die Luxusvariante mit einer Etage obendrauf,
komplett geliefert mit Rampe nach oben. Manch einer freut sich, weil man vom Nachbarn den gut erhaltenen, sauberen und vor allem selbstgebauten Käfig mit 4 Etagen in der Länge von 120 cm
ergattern konnte. Ein Taj Mahal für Meerschweinchen! Tiere auf Augenhöhe, Reinigung ohne viel zu bücken – perfekt! Wirklich???
Leider nein! Meerschweinchen sind Bodenbewohner. Das heißt, dass sie zu 99% auf dem Boden unterwegs sind. Bis auf leichte Sprungübungen sind sie nur auf ebener Fläche flott unterwegs. Klettern und richtiges springen? Fehlanzeige! Woran liegt das? Meerschweinchen Pfötchen können nicht greifen. Sie können sich also nicht festhalten wie zum Beispiel Ratten oder Streifenhörnchen. Gut zu sehen ist das, da sie ihr Futter nicht in die Pfötchen nehmen zum Fressen, sondern höchstens mit dem Fuß am Boden fixieren. Ihre Hinterbeine sind nicht besonders muskulös und aufs Springen ausgelegt. In einzelnen Kraftanstrengungen können Hindernisse von 50 cm Höhe überwunden werden, aber dann muss schon ein brünstiges Weibchen dahinter den potenten Bock locken. Ohne besondere Verlockungen würde kein normales Meerschweinchen auf die Idee kommen, sehen zu wolle was dahinter ist.
Durch ihren langgestreckten Körperbau sind Meerschweinchen auch nicht dazu prädestiniert Rampen zu erklimmen. Tiere, die dazu genötigt werden steile Rampe zu laufen, bekommen schneller Gelenksverschleißerscheinungen wie Athritis/Athrose besonders in Knien und Hüfte. Der für uns Menschen vermeintlich perfekte, vierstöckige Etagenbunker, ist leider für die Meerschweinchen nur ein Viertel zu groß! Noch besser als Bodenfläche ist nur noch mehr Bodenfläche ;-) Dies gilt auch für die „ach so riesig“ wirkenden Fertig-Außenställe mit 1 m Länge und zwei bis drei Etage, die nur über 45° Rampen zu erreichen sind. Für Meerschweinchen fast unmöglich!
Etagen können aber auch gut sein und gerne genutzt werden, wenn der Stall bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Grund(boden)fläche! Sie sollte so groß und ausgestattet (Heu, Wasser, Frischfutter) sein, dass kein Schwein gezwungen ist nach oben zu gehen. Wenn eine Etage geplant ist, haltet den Winkel der Rampe möglichst flach und den Belag rutschfest (Teppich ohne Schlingen, Rillen fräsen oder halbrunde Hölzer anbringen). Ab einer Höhe ca 20 cm empfehle ich eine Absturzsicherung. Ohne diese sind schon einige Schneidezähne durch Sturz auf die Schnauze abgebrochen! Die kurzen Meerschweinchenbeine taugen nicht zum Abfangen bei Sturz.
Was gehört in den zur Verfügung stehenden Platz rein: Versteck- und Ruhemöglichkeiten in Form von Häuschen (bitte mit zwei Eingängen), Unterständen, Röhren, usw. Es sollte für alle Herdenmitglieder ein gemütliches Plätzchen zu finden sein. Fressplätze für Heu und Frischfutter. Ich persönlich biete das Heu in großen Raufen an. Andere legen es direkt in den Stall. Das kann man machen wie man möchte, allerdings sollte es bei Raufen keine Gefahr des Steckenbleibens geben! Futterplätze sollten gut zugänglich sein, damit mehrere Tiere gleichzeitig ungestört fressen können. Ob man Wasser in Flaschen oder Näpfen anbietet, ist Glaubensfrage. Hauptsache es ist da und gut erreichbar. Auch Kuschelsachen und Hängematten werden gerne benutzt, sind aber kein Muss.
Wie sind denn nun die Maße für Innenhaltung pro Tier? Wer jetzt bis hier hin gelesen hat, um alleingültige Zentimeteranzahlen zu bekommen, muss ich enttäuschen. Um solche Empfehlungen
auszusprechen, muss noch mehr berücksichtigt werden, als die Anzahl der Tiere. Ein Meerschwein-Pärchen mit 5 und 6 Jahren, das man aus dem ziemlich ungeschützten Aussengehege eines Tierheims
holt, wird gut in einem Stall von 160 x 80 cm leben können – meiner Meinung nach! Auch weniger Platz ist möglich, wenn dafür (stundenweise) ein Auslauf stattfinden kann. Bei Jungtieren, die in
der Regel sehr bewegungsfreudig sind, würde ich mehr Platzbedarf einplanen. Auch die Wohnzimmerecke mit 140 cm kann gut genutzt werden, wenn es möglich ist dafür 100 cm tief zu bauen.
Ich halte nichts von diesen Faustregeln von 0,5 qm pro Weibchen und 1 qm pro Kastrat (warum ein Kastrat mehr Platz braucht, als ein Weibchen ist mir sowieso schleierhaft). Es kommt nicht nur auf
die Größe der Gruppe, sondern ebenso auf die Altersstruktur, den Charakter und die örtlichen Gegebenheiten an!
Wenn Ihr unsicher seid, ob die Tiere bei euch gut untergebracht sind oder, ob noch ein weiteres Tier die Herde bereichern kann, dann besprecht euch mit dem Züchter oder der Notstation eures Vertrauens. Schildert die Herde und den Platz, am besten mit Fotos. Beobachtet eure Tiere! Wirken sie zufrieden und ausgeglichen oder nagen sie an Gitterstangen und popcornen dermaßen, dass die Einstreu mehr außerhalb als im Käfig liegt?
Zuletzt möchte ich die Aussage einer sehr erfahrenen Meerschweinchenhalterin und –züchterin wiedergeben: Gesellschaft geht VOR Platz! (Danke Petra Gemeinhardt )
Dies spiegelt natürlich nur meine persönliche Meinung wider und soll nicht als alleingültig angesehen werden.